1819 – 1892
Du prächtig Kind, du frisches,
junges Leben,
Mir geht das Herz auf, wenn
dein Auge lacht;
Durch dich zu neuem Sein bin
ich erwacht –
Dank, Dank dem Himmel, der
dich mir gegeben.
Wie dunkle Wolken sah ich’s um
mich schweben,
Und außer mir und in mir ward
es Nacht;
Da gingst du auf in ros’ger
Morgenpracht,
In dir verjüngt sah ich mich
selber leben.
O möge Gott in Gnaden dich
bewahren
Vor allem Weh und Leid, das
ich erfahren!
Er segne dich, mein Kind, mit
beiden Händen!
Was mir versagt ward, mög’ er
dir gewähren,
Was in mir trübe war, in dir
verklären,
Was in mir Stückwerk blieb, in
dir vollenden!
1819 – 1892
I.
Der Gießbach donnert durch den
Felsenspalt,
Sprüht weitum Silberstaub auf
Moos und Bäume;
Sein frischer Hauch weht
Kühlung durch die Räume,
Die Luft erbebt von seiner
Sturmgewalt.
Von Fels zu Felsen springt er
ohne Halt,
Als droht’ ihm jäh Verderben,
wenn er säume –
Derweil tief unten aus dem
Flutgeschäume
Ein dumpf geheimnisvolles
Murmeln schallt
Wie eine Stimme Gottes aus der
Tiefe,
Die ihn herab von seinen Höhen
riefe –
Und im krystallnen kleid voll
Glanz und Schimmer
Stürzt er in wilder Brauselust
hernieder;
Doch unerschöpflich rauscht er
oben wieder,
Ein andrer stets und doch
derselbe immer!
II.
Gern flücht’ ich mich in deine
Schattenkühle
Und höre dein melodisch
Rauschen, sehe
Dein Flutgewog’, vergesse Leid
und Wehe,
Als ob es deine Welle von mir
spüle.
Wie weckst du mir so heilige
Gefühle,
Daß ich in stummer Andacht vor
dir stehe,
als ob ein Hauch des Ewigen
mich umwehe,
Und ich mich ganz wie
neugeboren fühle.
Ahnung durchschauert mich in
deiner Nähe,
wie wenn ich in der
lichtgewob’nen Hülle
Den Urquell aller Dinge vor
mir sähe:
Das All durchflutend, zeugend
und ernährend,
Geheimnißvoll, in
unerschöpfter Fülle
Sich immer neu aus eignem
Schoos gebärend.
III.
Gedanken brüten auch im
Bergeshirne
Und reden aus des Gießbachs
Wellenmunde;
Es zuckt ein Herz im starren
Felsengrunde,
Von seiner Glut erglüht die
eisige Stirne.
Der jetzt sein Haupt erhebt in
die Gestirne,
Der Berg schlief einst im
tiefsten Meeresschlunde;
Er stieg ans Licht – doch
kommen wird die Stunde
Wo wieder in den Abgrund
stürzt die Firne.
Da wird ein Welterschüttern
sein, ein Stürmen,
Wie Schnee wird dieser Felsen
Erz zerschmelzen,
Klein wird das Große, groß das
Kleine werden.
Das Meer wird seine flut zu
Bergen thürmen,
Die Berge werden sich zur
Tiefe wälzen
Und wird ein neues Gottesreich
auf Erden.
IV.
Wie mancher wandrer hat hier
ausgeruht
Von deines Odems frischem
Hauch erquickt,
Wie manches Auge dankbar
aufgeblickt
Zu deinem Schneegeschäum in
Mittagsglut –
Wie du vom Berge springst voll
Uebermut,
Umwallt von Silberschleiern
reich gestickt;
Und manches würzige
Alpenblümlein nickt
Dir zu und netzt sein Haupt in
deiner Flut.
Und mehr als Blumen hier am
Ufer stehen
Sahst du Geschlechter kommen
und vergehen
Und spültest weg die Spuren
ihrer Füße
Derweil du frisch in
Jugendfülle brausend
Fortrauschest von Jahrtausend
zu Jahrtausend
Und bringst dem fernen Meere
Bergesgrüße.
V.
Aus dunkler Scholle springt
die klare Quelle,
Hoch über Felsenmauern
tiefgeborsten,
Wo in verborgnen Klüften Adler
horsten,
Dem Sturz der Wasser gleich an
Flugesschnelle.
Genährt an Himmelsbrust tränkt
ihre Welle
Die Heerden auf der Alm, dasw
Wild in Forsten;
Birgt sich im Dickicht unter
dem verworr’sten
Gesträuch, wie bangend vor der
Tageshelle.
Dann plötzlich aus dem kühlen
Waldesdunkel
Schießt sie ans Licht mit
schäumendem Gefunkel
Und rauscht dem Thale
Alpengruß entgegen.
Den Wandrer labt sie, weckt
ihm Hochgefühle,
Als Bach beim Dorf treibt sie
die schattige Mühle,
Und wo sie fließt, blüht
Leben, Lust und Segen.
1819 – 1892 Durch
Zäune trennt man Herden auf der weide;
Nach Grenzen, die durch
Heeresmacht sich änden,
Nach Ursprung, Sitten,
Sprachen und Gewändern
Zieht man der Menschheit bunte
Völkerscheide.
Doch Gott wil nicht, daß Volk
und Volk sich meide;
Das Meer, bis zu des Erdballs
fernsten Rändern,
Wogt als Vermittler zwischen
allen Ländern,
Es trennt zwei Welten und
vereint sie bweide.
Allein der Vorurtheile fiefe
Kluft
Trennt Volk von Volk. Wie Gras
auf beiden Seiten
Wuchert die Thorheit, die das
Fremde meidet.
Doch hohe Bäume ragen durch
die Luft,
Die Zweig’ und Krone sich
entgegenbreiten,
Der Kluft nicht achtend, die
die Wurzeln scheidet.
1819 – 1892 Schon
ein Jahrtausend ist verflossen
Seit Dein gewaltiges Reich
gegründet,
Und noch ward nichts davon
verkündet,
Als daß es Blut auf Blut
vergossen;
Stets kampfgerüstet,
unverdrossen
Erobernd Krieg auf Krieg
entzündet,
Der fremden Thorheit eng
verbündet,
Der fremden Weisheit streng
verschlossen.
Dein war die erste große That,
Als du den dunklen Bann
gebrochen
Und das erhabne Wort
gesprochen:
Mein Volk sei frei! – Dies wird
den Pfad
Zu ewigem Ruhm Dir sichrer
bahnen,
Als alle Kriege Deiner Ahnen
1819 – 1892 Man
sagt: es will die Welt betrogen sein,
Wer
sie beherrschen will, muß sie betrügen...
Mag, wem da will, solch
falsches Glück genügen:
Du weiltest lieber beifallslos
allein!
Wohl ist die Zahl der
Auserwählten klein,
Doch schafft ihr Beifall
edleres Vergnügen,
Und lieber hörst du dich von
ihnen rügen,
Als die getäuschte Welt dir
Beifall schreien.
Solch Beifall aus Millionen
hohlen Köpfen
Gleicht dem Gebraus des Meers,
wo Well’ an Welle
Sich rauschend drängt in
wildbewegter Flut.
Doch ist kein reiner Trunk
daraus zu schöpfen,
Wie aus der frischen, klaren
Bergesquelle,
An deren Rand der Wandrer
einsam ruht.
1819 – 1892
I.
Gar häufig täuscht im Leben
uns der Schein –
Die klügste Vorsicht schützt
vor Trug nicht immer,
Und Mißtraun macht das
Schlimme oft nur schlimmer,
Wo kein Vertraun, kann keine
Liebe sein.
Doch giebt es Menschen noch so
ächt und rein
Wie Diamantenglanz, ihr Blick
täuscht nimmer;
Wer solche kennt, den lockt
kein falscher Schimmer,
Wie uns kein Irrlicht lockt im
Sonnenschein.
So fand ich dich, und als ich
dich gefunden,
War ich dir schnell in
Freundschaft so verbunden
Als wär’s ein Bund aus
frühster Kinderzeit.
Und nun ich auf ein Kurzes
dich muß meiden,
Ist mir das Herz so bang und
schwer beim Scheiden
Als wär’s ein Scheiden für die
Ewigkeit.
II.
Der Himmel schmückte dich mit
reichen Gaben!
Was schon vereinzelt
anmuthvoll erscheint,
Verschwenderisch ward es in
dir vereint,
Das Herz zu fesseln und den
Blick zu laben.
Doch nichts Vollkommnes soll
die Erde haben –
Das Schicksal hat es ernst mit
dir gemeint,
Ich weiß, dein schönes Aug’
hat oft geweint,
In deiner Brust liegt manches
Weh begraben.
Du aber trugst mit immer
gleicher Würde
Des Glückes Gaben, wie des
Unglücks Bürde,
Ob seine Schläge noch so
schwer dich trafen.
Es konnten dich die
launenhaften, närr’schen
Tyrannen Glück und Unglück nie
beherrschen:
Du bliebest Herrin und sie
blieben Sklaven!
III.
Ein Mensch, der stolz und frei
durch’s Leben geht,
Gleich groß in trüben wie in
heitern Tagen,
Gelassen Glück wie Unglück
weiß zu tragen
Erscheint ein Wesen, das man
nicht versteht.
Die Menge haßt, was frei von
ihr besteht,
Nur wer ihr schmeichelt, darf
sie überragen,
Doch wer zu stolz zum
Schmeicheln und zum Klagen,
Der wird gehaßt, verfolgt wie
ein Prophet.
Des Weisen Ruhe weckt der
Thoren Wuth,
Denn Alles, was den Menschen
ungewöhnlich,
Beherrscht sie – oder reizt
sie unversöhnlich.
Und Wenige nur sind wahrhaft
groß und gut –
Der Menschen Mehrzahl bleibt
stets in der Kindheit,
Leichtgläubig, kleinlich,
offnen Aug’s voll Blindheit.
1819 – 1892
Empfange huldvoll diese kleine
Gabe,
In Deinem Schutz begonnen und
vollendet,
Als Opfer reinen Dankes Dir
gespendet
Bis ich einst Reiferes zu
bieten habe.
Meist ehren Könige Dichter nur
im Grabe –
Du hast dich zu den Lebenden
gewendet,
Dein Sorgen ist: daß And’rer
Sorgen endet,
Dein Szepter ward der Kunst
zum Zauberstabe.
Ein hohes Ziel hast Du uns
ausersehen.
Dir bleiben Ruhm und Ehre –
wenn wir siegen,
Ruhm auch und Ehre – wenn wir
unterliegen.
Denn nimmer kann des Fürsten
Ruhm vergehn’,
Von dem man sagen muß nach
seinem Leben:
Er gab der Kunst mehr als sie
ihm gegeben.
1819 – 1892 Zu
neuem Leben ist die Welt erwacht,
Ihr Herz geht auf, ihr
Sonnenauge glüht,
Balsamisch ist ihr Odem, und
sie blüht
Wie eine Braut in
jungfräulicher Pracht.
Euch öffnet sie der Wunder
reichsten Schacht –
Nur für die Liebe ist der Lenz
erblüht,
Mit süßer Ahnung füllt er das
Gemüth
Von Liebeswonne und von
Liebesmacht.
Erschließt ihm liebend eure
Herzen ganz!
Laßt seinen Hauch durch euren
Busen wehen,
Nachts wird in schönen Träumen
auferstehen
Was euch berauscht von
Lenzesduft und Glanz –
Und was die schönen Träume
euch enthüllen,
Gott mög’ es euch im Leben
ganz erfüllen!
1819 – 1892
I.
Oft schien mir, daß Poeten
Frauenschöne
Zu überschwenglich und erhaben
priesen,
Weil nie sich ganz im Leben
mir erwiesen
Was ich verherrlicht fand
durch Liebestöne.
Bald schien’s, als ob der
Geist den Leib verhöhne,
Und möchte schönre Wohnung
sich erkiesen,
Bald sah ich Formen, wie aus
Paradiesen,
Doch keinen Geist, der sie mit
Hoheit kröne.
In dir allein fand ich ganz
und vollkommen,
was ich als Stückwerk sonst nur
wahrgenommen:
Vom Füßchen bis zum
haarumwogten Scheitel
Bist du von Geist und
Schönheit so durchdrungen,
Daß, was man je zum Ruhm der
Frau’n gesungen,
Mit dir verglichen nichtig
scheint und eitel. -
II.
Dich schuf Natur in einer
Festtagslaune,
Hielt dich vor Allem, was
entweiht, geborgen,
Daß du uns aufgingst wie ein
Maienmorgen,
Und wer dich sieht, vor
solcher Schönheit staune.
Leicht, wie ein zart Geweb vom
Dornenzaune
Zerrissen wird, welkt
Schönheit hin vor Sorgen;
Man quält sich mühvoll heut,
denkt stets an morgen,
Daß nicht die Noth zu schrill
ihr Liedchen raune.
Und wer nicht Sorgen hat, der
schafft sich welche;
Es nagt ein Wurm an jedem
Blumenkelche
Der Schönheit, - nur an deinem
nicht, du Hehre!
O daß Gott rein dich, wie du
bist behüte,
Und der Verwüsterin der
Schönheitsblüte,
Der Zeit, an dich die Hand zu
legen wehre!
III.
Nur wenige Helden rühmt uns
die Geschichte,
Aufragend aus zahllosen
Millionen
Von Alltagsmenschen die auf
erden wohnen,
Und ruhmlos leben, ruhmlos
gehn zunichte.
Nur wenige Frauen leben im
Gedichte
Unsterblich – ob Sonette und
Canzonen
Sie zahllos auch, in Hüten wie
auf Thronen,
Gerühmt. Vor dem zerstörenden
Gerichte
Der Zeit sinkt Schönheit hin,
wie Heldenthum,
Wenn nicht des Sängers Geist
groß wie der Ruhm,
Den er besingt. O, segne Gott
mein Wort,
Daß es zu deinem Ruhm leb’
immerfort!
Wohl preis’ ich deine
Schönheit im Gedicht,
Doch ach, mein Geist gleicht
deiner Schönheit nicht!
1819 – 1892
Man klagt, als ob die Fürsten
des Gesanges
Gestorben wären und ihr Reich
zunichte:
Derweil ein Urquell ewiger
Gedichte
Aus deinem Busen quillt
gewaltigen Klanges.
Dein hohes Lied, mein ganzes
Herz bezwang es –
Ob du die großen Bilder der
Geschichte
Vor uns entrollst,
prophetische Gesichte
Des Völker-Auferstehns und
Unterganges; -
Ob du von deinen Wonnen singst
und Wehen,
Den Geist zu Gott erhebst im
reinen Liede,
Daß uns Versöhnung überkommt
und Friede:
Es giebt noch Herzen, die dich
ganz verstehen,
Und jeder Priester am Altar
des Schönen
Pflückt Lorbeern zu dem Kranz,
um dich zu krönen.
1819 – 1892
I.
Um Hocharmeniens alte
Königsstadt
Im ersten Frühlingsblühn
prangt die Natur;
Still ist’s umher – Cicaden schwirren
nur
Durch’s junge Grün – am Baum
regt sich kein Blatt.
Hier sieht das Aug’ an
Schönheit sich nicht satt:
Fernher blitzt des Araxes
Silberspur,
Zum blauen Himmel ragt aus
blumiger Flur
Die Majestät des hohen Ararat.
Zu seinen Füßen dehnen sich
vier Länder;
Buntsamtne Au’n umschlingen
als Gewänder
Die Knie – demanten schimmert
seine Krone;
Der ewige Schnee umgürtet
seine Hüfte,
Kaum wagen sich die Könige der
Lüfte,
Die Adler, bis zu seinem
Wolkenthrone.
II.
Zum Erstenmale von der
Hochburg Zinnen
Sah ich den Gipfel der die
Arche trug,
Da noch die Sündflut ihre
Wogen schlug,
Daraus der Herr nur Noah ließ
entrinnen.
Und wie ich stand in
weihevollem Sinnen,
Schwang sich zum Licht ein Aar
in stolzem Flug,
Und vor mir zog ein
Karawanenzug
Wo klar der Sanga heilige
Fluten rinnen.
Da plötzlich hielten Pferd’
und Dromedare,
Die Reiter in blauschimmerndem
Talare
Hinsanken betend auf der Erde
Schoß.
Und heilige Stille herrschte
in der Runde,
Nur von der Stadt aus des
Muezzin’s Munde
Erscholl’s vom Minarette: „Gott
ist groß!“